Gegensätze ziehen sich an

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Wenn oratorische Sakralmusik aus der italienischen Barock-Epoche des Venezianers Antonio Vivaldi auf leidenschaftlichen Tango Nuevo eines Astor Piazzolla oder Martin Palmeri aus Buenos Aires trifft, dann scheinen solche Gegensätze nicht nur offensichtlich, sondern durchaus auch spannend.

„Es gibt keine religiöse Kunst im eigentlichen Sinn, die eindeutig von der weltlichen Kunst unterschieden werden könnte. Es gibt nur gute und schlechte Musik; der Rest ist eine Frage der Mode und Konvention.“

So analysierte kein Geringerer als Camille Saint-Saëns die künstlerische Verbindung zwischen sakraler und profaner Musik. Und genau diese Verbindung zweier musikalischer Welten findet sich auch in Vivaldis „Welthit“ GLORIA und dem ORATORIO DE NAVIDAD des Argentiniers Martin Palmeri – was die scheinbare „Gegensätzlichkeit“ der beiden Werke auch wieder relativiert.

Il Prete rosso – der Priester mit den roten Haaren

Vivaldi, der bereits in jungen Jahren an der Kirche Santa Maria della Pietà zum Priester geweiht wurde, musste aus gesundheitlichen Gründen als Violinlehrer zum angegliederten Ospedale della Pietà, einem Waisenhaus für Mädchen, wechseln. Alsbald zum musikalischen Leiter seines ausschließlich weiblichen Orchesters berufen, sollte er dann auch für den „engelsgleich“ singenden Frauenchor als Maestro di coro komponieren. „Sein“ Ospedale hatte es mittlerweile zu legendärem Ruf in ganz Europa gebracht. Längst waren seine Instrumentalwerke zum Inbegriff italienischer Konzertkunst avanciert, die sogar J.S. Bach inspirierte.

In diesen Jahren bis ca. 1715 entstand als „Kantaten-Messe“ angelegt sein 12-sätziges GLORIA. Charakteristisch ist der ständige Wechsel zwischen traditionellem Kirchenstil und weltlicher Konzertkunst. Barock-Affekte, tänzerisch-höfische Leichtigkeit, bestechende Klangfantasie und „überraschend-irreguläre“ Momente bestimmen den Reiz dieser faszinierenden Komposition.

Verbindung religiöser Inhalte mit dem Tango Nuevo

Astor Piazzolla gilt als Erfinder des Tango Nuevo. Mit seiner Misa Tango wagte am 17. August 1996 Martin Palmeri im Teatro Broadway in Buenos Aires diesen neuen Ansatz und landete einen Welterfolg.

Martin Palmeri: „Nach der Erfahrung mit der „Misa Tango“ wollte ich herausfinden…, ob man dies noch weiterentwickeln kann…“                                               

Zu diesem Zweck nahm sich Palmeri das gleichnamige Werk Oratorio de Noël von Camille Saint-Saëns als Vorlage. Dessen Aufbau mit Soli, Chor, Instrumentalstücken und Text-Verteilung wurde quasi übernommen. Entsprechend der Tango Nuevo-Stilistik verwendet Palmeri aber auch Jazz-Harmonik, Bitonalität und Poly-Metrik.

„..mein lyrisches Werk versucht das Weihnachtsgeschehen mit typischen Tango-Melodien und rhythmischen und harmonischen Elementen aus der Welt des Tangos zu reflektieren. Der Einsatz von Pauken und Percussion gibt dem Werk Kraft und nähert es der traditionellen Chor-Sinfonik an…

Palmeri über sein Oratorio de Navidad

Der Stuttgarter Oratorienchor, das Stuttgarter Concertino und ein hochkarätiges Solisten-Quintett samt einem bekannten Bandoneonspieler führen dieses außergewöhnliche Programm unter der Leitung von Enrico Trummer am 14. Dezember im Mozartsaal der Liederhalle auf.

Karten sind im Vorverkauf hier oder bei Eventbrite erhältlich.

Beitragsbild: „Tango .. in the rain“ von CLAUDIA DEA, CC BY 2.0