Wer die Noten von unserer Ausgabe des Magnificat aufschlägt, liest auf Seite 1 in großen Buchstaben Mendelssohn Bartholdy. Auf dem Deckblatt ist jedoch nur der Name MENDELSSOHN abgedruckt. Ist dem Verlag ein Fehler passiert? Welche Geschichte steckt dahinter?
Mendelssohn – als Kind getauft
Der kleine Felix war ein Wunderkind, hochbegabt, spielte früh Klavier und Violine, komponierte, dirigierte und bekam im Elternhaus einer Bankiersfamilie alle Möglichkeiten, die Welt und die Kunst zu entdecken. Er wurde zu einem universal gebildeten Humanisten. Geld spielte zeit seines Lebens keine Rolle. Er musste mit der Musik weder seinen Lebensunterhalt verdienen, noch war er gezwungen um die Gunst eines Dienstherrn buhlen oder um eine Anstellung ringen.
Sein Großvater war der jüdische Philosoph und Aufklärer Moses Mendelssohn. Sein Vater Abraham wandte sich aus Sorge vor antisemitischen Anfeindungen vom Judentum ab. Er ließ seine Kinder taufen, konvertierte später selbst zum Protestantismus und fügte den Familiennamen Bartholdy hinzu.
Felix verwendete ab 1829 jedoch nur noch den Namen Mendelssohn und das auch noch mit Stolz. Er sah keine Notwendigkeit seinen Geburtsnamen zu ändern, obwohl sein Vater darüber sehr verärgert war und ihn ermahnte:
Du kannst und darfst nicht Felix Mendelssohn heißen. Felix Mendelssohn Bartholdy ist zu lang, und kann kein täglicher Gebrauchsname sein, Du musst Dich also Felix Bartholdy nennen. […] Einen christlichen Mendelssohn gibt es so wenig wie einen jüdischen Konfuzius. Heißt Du Mendelssohn, so bist Du eo ipso ein Jude, und das taugt Dir nichts, schon weil es nicht wahr ist.
Die väterliche Haltung wurde schon während Felix Mendelssohns kompositorischer Schaffenszeit bestätigt. Antisemitische Äußerungen von romantischen Künstlern und Zeitgenossen wie etwa Heinrich Heine oder Richard Wagner blieben nicht aus. Später folgten Aufführungsverbote seiner Musik im Dritten Reich oder die Demontage von Mendelssohn-Denkmälern. Gewisse Bemerkungen und diese Ereignisse stigmatisierten Mendelssohn nachhaltig.
Zur Entstehung des Magnificat
Im Jahre 1819 hatte Mendelssohn als 10-Jähriger mit dem Kompositionsunterricht bei Carl Friedrich Zelter in Berlin begonnen. Mendelssohns Begeisterung für Bach war zweifellos auf den Einfluss seines Lehrers zurückzuführen. So entstanden ab 1821 eine Reihe von Motetten und mit diesen ersten kirchenmusikalischen Versuchen entfaltete Mendelssohn seine Fähigkeiten, Vokalfugen im vier- bis fünfstimmigen Satz zu schreiben. Zelters zahlreiche Korrekturen und Eintragungen zeigen hier noch den Übungscharakter dieser Arbeiten.
Schon ein Jahr später komponierte Mendelssohn zwischen dem 19. und 31. März 1822 – in gerade mal 13 Tagen! – als 13-Jähriger! das heute erklingende Magnificat. Welch ein Unterschied zu den vorherigen Arbeiten: Der Werkumfang ist erheblich angewachsen und weit beeindruckender. Es finden gleichmäßige Wechsel von Chor- und Solosätzen statt. Es kam ein reich besetztes Orchester hinzu – Fortschritte in kaum nachvollziehbarem Umfang. Zelters Korrekturen fanden hier nur noch ganz vereinzelt statt und bezogen sich eher auf Kleinigkeiten, wie z.B. gelegentliche Textverteilungen. Mendelssohns Selbstständigkeit als Komponist war so rasant gewachsen, dass sich die Rolle des Lehrers nur noch auf die Beaufsichtigung der Arbeit des jungen Komponisten beschränkte.