Cádiz – Wien und zurück

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…und das im 18. Jahrhundert!

Die Bruderschaft Madre Antigua aus Cádiz war eine Gruppe frommer Gläubiger, die seit 1730 jeden Donnerstag in einem Privathaus ab Mitternacht für drei Stunden geistliche Exerzitien und Gebete abhielten, die aus Szenen der Passion und den Sieben letzten Worten des Herrn bestanden. Den kirchlichen Autoritäten in Cádiz waren diese Treffen allerdings ein „Dorn im Auge“. Man störte sich vor allem daran, dass diese Gebete und Exerzitien in einem Privathaus stattfanden. So wurde die Bruderschaft „gebeten“, sich für ihre frommen Andachten in der Kirche Nuestra Señora del Rosario zu treffen.

Eine zufällige Entdeckung bringt Musik zur Passionsandacht aus Wien nach Cádiz:

Als 1756 bei der Renovierung dieser Kirche ein Hohlraum, die „heilige Grotte“, entdeckt worden war, wuchs in Don José Saenz de Santa Maria der Wunsch nach einem sakralen Neubau. Er besaß ein großes Vermögen und war Mitglied der Madre Antigua. Als er später zum geistlichen Leiter der Bruderschaft bestimmt wurde, ließ er 1771 eine Kapelle auf dem zufällig gefundenen Hohlraum bauen. Der kunstsinnige Stifter, mittlerweile zum Marquès de Valde-Inig ernannt, hatte nicht nur bedeutende Architekten und Künstler der bildenden Kunst für die Ausgestaltung seiner Santa Cueva beauftragt. Es sollte auch eine instrumentale Musik erschaffen werden, die auf höchstem künstlerischem Niveau der damaligen Zeit rangierte. Keinen geringeren als den damals schon hochberühmten Joseph Haydn aus dem aufgeklärten Wiener Kaiserreich von Joseph II hatte sich der priesterliche und großzügige Marquès als Komponisten gewünscht.

Als Haydn den Kompositionsauftrag aus Cádiz annahm, war er sich über die außerordentlichen Schwierigkeiten des zu schreibenden Werkes durchaus bewusst. Die Zweckbestimmung der Komposition gab gleichsam den Rahmen der Musik vor. Für seine Komposition soll Haydn ein außergewöhnliches Honorar erhalten haben, das in Form eines Kuchens übergeben wurde. Sicher war er von der Füllung des Kuchens überrascht: Das Innere des Kuchens war buchstäblich vergoldet, denn es verbargen sich  Goldstücke darin.

Stuttgarter Erstaufführung einer neuen Version des vergessenen Meisterwerks

Insgesamt wurde Joseph Haydns Vokalfassung der „Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ laut Statistik des VDKC in 16811 Konzerten in Deutschland zwischen 1980 – 2004 nur 17mal aufgeführt. Der Stuttgarter Oratorienchor nahm dieses Werk seit 1988 leider nicht mehr in seine Konzertprogramme auf.

Eine neue, noch unbekannte Fassung dieses sehr selten aufgeführten Meisterwerks präsentiert nun der Stuttgarter Oratorienchor erstmalig in Stuttgart bei seinem traditionellen Palmsonntagskonzert. Schon Haydn hatte in seinen oratorischen Werken mit klanglichen Experimenten gearbeitet. So brachte er seine Nelson-Messe in zwei Fassungen heraus: Einmal mit Streicherbesetzung, kleiner Bläserbesetzung und Orgel, dann ein weiteres Mal mit Streicherbesetzung und großer Bläserbesetzung, die wiederum den Orgelpart ersetzte.

Inspiriert von dieser Praxis hat Edgar Fackler aus Memmingen auch bei Haydns „Sieben letzten Worten“ eine solche Orgelbearbeitung des Bläsersatzes arrangiert. Zusammen mit den originalen Streicherstimmen wird diese Version am 24. März 2024 in der Leonhardskirche erklingen. Sie legt den Akzent dieser sakralen Musik noch stärker auf den Kirchenraum – und wäre somit auch ganz im Sinne ihres Schöpfers Joseph Haydn.

Konzertkarten sind ab sofort bei den Chormitgliedern oder über unser Kontaktformular erhältlich.